Freitag, 1. August 2008
Ich bin wieder hier
in meinem Revier,
war nie richtig weg,
hab mich nur versteckt.

Ein super Hit. Hab ich gestern im Auto mit voller Kraft mitgesungen, als ich auf dem Rückweg von London nach Berlin an Bochum vorbeifuhr.
Eine herrliche Reise, die sich aufgrund der verpassten Fähre ärgerlicher Weise in die Länge zog. So blieb viel Zeit, Abstand zu gewinnen und die letzten 2 ¼ Jahre Revue passieren zu lassen. Gewisser Maßen bietet diese Autofahrt gleich auch eine gute Metapher für den zurückliegenden Lebensabschnitt. Allem Schönen haftet auch etwas Unschönes an. London erleben zu dürfen, bedeutete Berlin verlassen zu müssen, und nach Berlin zurückzufahren bedeutet leider London good by zu sagen. Das Gras am anderen Ufer scheint immer etwas grüner zu sein. So gibt es mir zumindest etwas Ruhe zu wissen, an beiden Ufern gewesen zu sein.
Obwohl ich nur jedem dringend ans Herzen legen kann, selbst mal ne Weile im Ausland zu arbeiten, so kann ich gleich mal vorwegnehmen, dass dort keine riesigen Überraschungen warten. Zusammenfassend kann ich feststellen: ‚Alle Vorurteile sind wahr!’. Sowohl die über die Engländer, als auch die über die Deutschen. Letzteres ist dann vielleicht doch eine Überraschung. Mir war gar nicht so recht bewusst wie stark ich vom Teutonentum geprägt bin.
Alle Engländer sind höflich, offen und witzig! Zumindest im Vergleich zu den Deutschen. Eine Grenze, die wie in Deutschland privates und berufliches strikt trennt, kennt man in England nicht. So ist der amüsante Plausch ein genauso fester Agendapunkt einer jeden Arbeitsbesprechung, wie das regelmäßige Besäufnis nach Dienstschluss. Schnell wurden Antje und ich von unseren Kollegen auch zu Hochzeiten eingeladen. Der Job fühlt sich eher wie ein Auslandssemester an, denn als Arbeit im klassischen deutschen Sinne.
Um der bereits begonnenen Dialektik Rechnung zu tragen, sollte der Vollständigkeit halber an dieser Stelle vielleicht noch auf vereinzelte prügelnde Neger und höchstaggressive Mädchengangs hingewiesen werden. Diese Erlebnisse bilden zwar die Basis für ein paar nette Geschichten, waren aber nicht bestimmend für den englischen Alltag. Viel mehr haftet die Erinnerung an den Unbekannten, der mir die Zeit im Fahrstuhl mit witzigen Small Talk vertrieb oder die ruhige Menschenschlange an der Busstation, die auch nach 30 min Wartezeit den Busfahrer mit einem Lächeln begrüßte.

So hoffe ich die ein oder andere englische Tugend nach Deutschland mitzunehmen. Ich gebe mich zwar nicht der Illusion hin, das U-Bahn-Gesicht der Deutschen ändern zu können, aber wenn ich etwas netter in den deutschen Wald hineinrufe, schallt es vielleicht auch etwas netter heraus. Wer weiß, vielleicht wird mir eines Tages ein Mal in Berlin ein Dienstleister auf mein ‚danke’ mit einem ‚gern geschehen’ antworten.
Dem Deutschen kann man dafür zu Gute halten, dass Deutschland schlicht gesagt funktioniert. Das ist ein total unterschätzter Standortvorteil, den die Deutschen beim ständigen herumnörgeln leicht übersehen. Wo sonst, außer vielleicht in Japan, haben Fahrpläne eine Aussagekraft, erhält man bei Vertragsabschluss das worauf man sich geeinigt hat und kann man sich darauf verlassen, dass das Einwegglas vom Papiermüll getrennt entsorgt wird. Aber wahrscheinlich sind die Deutschen zur Verlässlichkeit, Pünktlichkeit und Effizienz verdammt. Denn wenn in Deutschland solche Zustände vorzufinden wären, wie sie jenseits von Oder, Rhein und Alpen herrschen, dann würde das ungeduldige Deutsche Volk durch kollektiven Herzinfarkt vom Aussterben bedroht sein.
Aber mehr noch als Verlässlichkeit, Pünktlichkeit und Sauberkeit, liegt mir die wunderschöne deutsche Landschaft am Herzen. Ich kann es immer noch nicht glauben wie sehr es mich auf der Suche nach den schönsten Flecken immer weiter in die Welt hinausgezogen hat, obwohl Spreewald, Scharmützelsee, Elbsandsteingebirge, Ostsee oder Alpen genau vor der Türschwelle liegen. Wenigstens kann ich behaupten mit meinen Weltreisen zum global warming beigetragen zu haben, so dass wir nicht nur eine viel schönere Landschaft als die Engländer, sondern auch noch viel besseres Wetter als das Inselvölkchen genießen können.

Zusammenfassend kann ich ehrlich sagen: Auch wenn in Berlin die Busse so unpünktlich wie in London wären, der dritte Sommer in Folge wieder ins Wasser fallen würde und die Spree so braun wie die Themse wäre, dann würden Antje und ich dennoch keine Sekunde zögern wieder hierher in die Heimat zurück zu kommen, denn hier gibt es das Wichtigste zum glücklich sein und das seid ihr unsere liebe Familie und guten Freunde :-)

Antje & Klatte

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